Liebe Festgemeinde

Ich freue mich sehr, dass ich den 1. August dieses Jahr mit Ihnen feiern darf. Ich muss aber zugeben, dass es einiges an Mut gebraucht hat, denn es ist meine erste 1. August Rede.

Mut hat auch Ihr Gemeindepräsident, Herr Stefan Schmid, bewiesen, um mich einzuladen, denn Stefan kennt mich vom Kantonsrat. Er hat sich da also auf ein grösseres Abenteuer eingelassen mit mir.

Und Mut brauche ich auch jetzt, weil ich beschlossen habe, Ihnen auf meinem Alphorn ein Lied zu spielen. Mut vor allem deshalb, weil ich nicht sehr gut Alphorn spiele. Ich beruhige mich dann immer mit der Aussage, dass ich zwar nicht so gut spielen kann, dafür aber mein Alphorn selbst gebaut habe. Und ich hoffe natürlich, dass Sie das Lied erkennen – trotz meiner bescheidenen Fähigkeiten.

Wer hat das Stück erkannt? Amazing Grace.

Auch das ist ein mutiger Schritt, am eidgenössischen Nationalfeiertag ein ausländisches Lied zu spielen – dazu noch auf einem sehr traditionellen Instrument. Das Lied Amazing Grace verdankt seine Entstehung einem Schlüsselerlebnis seines Autors John Newton, der Kapitän eines Sklavenschiffs war. Nachdem er in schwere Seenot geraten und nach Anrufung Gottes gerettet wurde, behandelte er zunächst die Sklaven menschlicher und trat später für die Bekämpfung der Sklaverei ein. Große Popularität genoss Amazing Grace später auch während des Amerikanischen Bürgerkriegs sowie bei den Indianern Nordamerikas. Den Cherokee gilt es sogar als inoffizielle Nationalhymne. Ich bin also immerhin mit einer Nationalhymne gestartet.

Vermutlich sowieso die einzige, die auf einem Naturtoninstrument gespielt werden kann – denn der Schweizer Psalm geht mit dem Alphorn definitiv nicht.

Aber es gibt natürlich noch eine weitere Verbindung zur Schweiz und ihrer Geschichte. Denn auch unsere Vorfahren haben sich von fremden Vögten befreit. Sie wollten nicht länger Leibeigene bzw. Sklaven der Fürsten sein und haben den Mut gehabt, sich gegen die geltende Ordnung aufzulehnen. Sie taten dies im Wissen um die Gefahr für Leib und Leben und hatten
trotzdem den Mut, sich für ihre Freiheit einzusetzen. Wir würden heute nicht gemütlich hier sitzen, wenn unsere Vorfahren nicht so mutig gewesen wären. Die Schweiz wäre nicht unsere Heimat, in der Frieden herrscht, sie wäre nicht ein Land, das fast die höchste Lebensqualität hat, ein Land, das extrem wohlhabend ist, obwohl es weder Meeresanstoss noch Bodenschätze hat, ein Land,
das für seine Naturschönheiten bekannt ist, welche wir zu schützen wissen – und ja, als gebürtige Walliserin darf ich hier als schönes Beispiel sicher das Matterhorn erwähnen. Wir sind hier extrem privilegiert und haben das zum grössten Teil dem Mut und der Weitsicht unserer Vorfahren zu verdanken. Sie haben die Basis gelegt für die Schweiz, wie wir sie heute kennen – und
zwar mit Fleiss und Einsatz, aber auch mit Nächstenliebe und Grossherzigkeit.

Im Moment nehme ich aber rundherum eher Mutlosigkeit wahr.

Da fällt mir spontan ein Zitat ein, das man leider nicht mehr richtig zuordnen kann – es geht je nach Quelle auf einen Herrn Michael Hopf oder auf einen der Gründerväter von Dubai zurück:

«Harte Zeiten formen starke Menschen, starke Menschen schaffen gute Zeiten, gute Zeiten gebären schwache Menschen, schwache Menschen schaffen harte Zeiten.»

Quelle nicht ganz klar!

In diesem Zyklus stehen wir etwa so in der Phase der guten Zeiten, die schwache Menschen hervorbringt. Nicht ein sonderlich attraktiver Gedanke.

Deshalb appelliere ich hier an Sie – und ja, ich gebe zu auch an mich, dass wir wieder vermehrt all unseren Mut zusammennehmen und uns aus unserer Komfortzone heraus begeben. Wir müssen wieder mehr Mut haben, auf unseren inneren Kompass zu hören und was bei der ganzen Geschichte dann entscheidend ist: vom Wollen ins Tun zu kommen. Hört sich etwas abstrakt an – deshalb gebe ich Ihnen gerne einige Beispiele: Wer hat sich nicht schon dabei ertappt, dass ihm sein Bauchgefühl gesagt hat, das kann es doch nicht sein. Z.B. Wenn wir uns über zu wenig bezahlbaren Wohnraum beklagen, aber ständig neue Gesetze und Verordnungen vom Stapel lassen, die das Bauen verkomplizieren und so auch verteuern.

Oder wenn neuerdings in den Schulen – inklusive den Universitäten – die Arbeiten gegendert werden müssen – also mit den unsäglichen Sternchen versehen werden, weil es sonst Notenabzug gibt. Auf den Inhalt kommt es offenbar nicht mehr an, nur noch darauf, dass man auf jeden Fall politisch korrekt unterwegs ist.

Oder wenn man seit neustem in der Stadt Zürich für einen «Räbeliechtli»-Umzug dem Gesuch eine Risikoanalyse beilegen muss, die schlüssig darlegt, wie bei Blitzschlag, Gewitter, Schlägereien etc. zu handeln sei. (eigene Erfahrung Räbeliechtli – Schlägerei = 0).

Bei all diesen Beispielen wissen wir im Grunde, dass da etwas gehörig schiefläuft. Nur fehlt uns häufig der Mut, uns für unser Bauchgefühl einzusetzen. Und jetzt kommt das mit dem Tun ins Spiel: es ist natürlich hirnrissig, sich für die Umsetzung seiner Ziele an die Strasse zu kleben. Das ist nicht einmal mutig. Das ist nur dumm und unter Umständen sogar gefährlich. Ich kann Ihnen auch sagen weshalb: Die Gesetze werden im Parlament gemacht und nicht auf der blockierten Hardbrücke in Zürich. Deshalb appelliere ich einmal mehr an Sie: nehmen Sie Ihre demokratischen Rechte wahr und wählen Sie die Leute, die Ihnen helfen, dass die Realität künftig besser mit Ihrem Bauchgefühl übereinstimmt.

Haben Sie den Mut, sich dafür einzusetzen, was Ihnen Ihr Bauchgefühl sagt. Haben Sie den Mut, Missstände beim Namen zu nennen und mit konstruktiven Lösungen eine Verbesserung herbeizuführen.

Haben Sie aber auch den Mut, auf sich selbst zu hören und sich nicht verrückt machen zu lassen von der
Reizüberflutung, die die neuen Medien über uns ergiesst.

Haben Sie den Mut, dieses wunderschöne Land zu geniessen – seine Natur, seine Schrulligkeit, seine Vielfalt.

Romaine Rogenmoser

Unsere Vorfahren haben den Grundstein dafür mit Ihrem Mut gelegt. Seien auch Sie mutig, denn sonst holt uns die Geschichte ein mit den guten Zeiten und den schwachen Menschen.

Und ich gehe jetzt mit gutem Beispiel voran und beweise noch einmal etwas Mut, indem ich Ihnen jetzt noch ein traditionelles Alphornstück vortrage. Und falls Sie mutig genug sind, können Sie mir ja im Anschluss bei einem Bier dann sagen, dass ich mich besser mit anderen Hobbies beschäftige, als mit Alphorn spielen.


In diesem Sinne: stehen auch Sie mutig ein für dieses schöne Land, für unsere Werte, für unsere Traditionen.